Proteinkristallographie

(Röntgenstrukturanalyse von Protein- oder anderen biologischen Kristallen)

Die Struktur von Proteinen läßt sich, unter anderem, mit intensiven Röntgenstrahlen analysieren. Diese hat gegenüber (den meisten) alternativen Methoden der Strukturaufklärung den Vorteil der höheren Auflösung, d.h. Detailgenauigkeit der Strukturen größerer Moleküle.
Dafür müssen die Proteine als Kristall vorliegen, dessen regelmässig angeordnete Gitterbausteine (eben diese Proteine) das Licht in charakteristischer Weise beugen (Formeln, Formeln, Formeln). Aus den Beugungsmustern kann man dann im Prinzip schließen, wie die einzelnen Atome im Molekül angeordnet sind (klingt das einfach). In vielen Fällen ist die Kristallisation der Proteine – insbesondere der Membran-Proteine – ein Glücksspiel.

So manches Protein oder auch Ribosom hat auch nach Jahr und Tag keine brauchbaren Kristalle geliefert … mit bisweilen verheerenden Folgen für den unglücklichen Doktoranden ….

1. Produktion von Ribosomen

Um Kristalle von Ribosomalen Partikeln zu erhalten, muss man zuallererst einmal genügend von diesen Partikeln haben. Bakterien lassen sich relativ einfach in großen Mengen heranzüchten, was auch einer der Hauptgründe dafür ist, daß es bisher nur Modelle von Strukturen bakterieller Ribosomen bzw. ribosomaler Partikel gibt.

Ribosomenanzucht

A: Anzüchten der Bakterien
B: Trennen der ribosomalen Partikel von den restlichen Zellbestandteilen

Die Anzucht geht relativ einfach, wachsen Bakterien doch bei geeigneten Bedingungen (z.B. Temperatur, Nährmittel, Licht/Dunkel) schnell zu einer großen Zahl heran.
Man braucht aber die Ribosomen, also zerstört man die Bakterien-Zelle (meistens mit Druck) und schüttet den Zellmatsch zusammen mit einer Zuckerlösung in eine große Zentrifuge. Bei sehr hoher Umdrehungszahl befinden sich die verschiedenen Zellbestandteile, je nach Gewicht, von der Mitte bis zum äusseren Rand des Zentrifugengefässes in der Zuckerlösung. Daher kommen auch die Bezeichnungen 30S, 50S und 70S. Sie geben die Sedimentationsgeschwindigkeit an (S=Svedberg-Koeffizient).
Läßt man die Zuckerlösung nun von Aussen nach Innen ab, ist es möglich vollständige Ribosomen oder die beiden Untereinheiten zu separieren, noch in Zuckerlösung.
Zum Schluss muß man nur noch die ribosomalen Partikel von der Zuckerlösung trennen und erhält das Ausgangsmaterial zur Kristallisation.

2. Kristallisation

Eine gängige Methode zur erzeugung von Protein- bzw. Ribosomen-Kristallen ist die ‚Methode des hängenden Tropfens‘:

hanging drop methodBei einer konstanten Temperatur (z.B. 0, 4, 20, 37°C) hängt ein Tropfen mit Kristalisationslösung (5-10 μl ribosomale Partikel, Salze usw.) an einem Deckglas oberhalb eines Reservoirs (Präzipitant, 1ml). Silikon zwischen Deckglas und Gefäß sorgt für ein abgeschlossenes System. Eine gegenüber dem Tropfen deutlich höhere Konzentration von Alkoholen und Salzen im Reservoir , hat zur Folge, daß durch Danpfdiffusion der Konzentrationsgradient (Unterschied) zwischen Tropfen und Reservoir langsam ausgeglichen wird.

Dies wiederrum führt zu einer Übersättigung der Kristallisationslösung im Tropfen, welche sich in wenigen Stunden der auch erst nach Tagen durch ein Präzipitat andeutet.
Durch Einbringen von Impfkristallen (sehr kleine Kristalle ribosomaler Partikel) kann dem Tropfen Kristallisationskeime zufügen. Wenige Tage oder Wochen (je nach Art der Partikel) später ist die Kristallisation beendet und die Kristalle werden ‚geerntet‘, d.h. in eine Stabilisationslösung überführt (in dieser ist das Wachstum als auch der Zerfall gestoppt und man kann die Kristalle für unbestimmte Zeit darin lagern).

halo1

50S von Haloarcula marismortui: flache Plättchen

30scryst

30S von Thermus thermophilus: lange Nadeln

xtals2cut

50S von Deinococcus radiodurans: halb-ovale ‚Bonbons‘

 (Auch hier kommt es natürlich auf genaue und fein abgestimmte Parameter der Lösungen an, sonst passiert gar nix, oder es wachsen wunderschöne Salzkristalle.)

 Spacefish: fishxtalDie Kristallisation führt manches Mal zu merkwürdigen Ergebnissen. Dieser Fisch z.B. ist auf einer Spacelab Mission gewachsen. (Foto von Niels Volkmann, ca. 1994)

Leider sagt das Aussehen der Kristalle unter dem Mikroskop nichts über deren Streufähigkeit im Röntgenstrahl aus.

Hat man also einmal eine exakte Prozedur zur Herstellung von Kristallen eines bestimmten ribosomalen Partikels ausgearbeitet, so kommt als nächstes die Verfeinerung oder Variation einzelner Schritte oder Parameter um die bestmögliche Streukraft und -Qualität der Kristalle zu erreichen.
Die enormen Schäden an der Kristallstruktur durch intensive Röntgenstrahlung lassen sich durch extreme Kühlung minimieren (siehe unten, 3b)
Dafür werden die Kristalle in sogenannte Kryolösungen eingelegt. Diese bestehen im Prinzip aus der Stabilitätslösung und einem Anteil von einem oder mehreren Kryoprotektoren. Diese dienen dazu die Bildung von (Wasser-) Eis-Kristallen in der den Kristall umgebenden Lösung zu verhindern. Diese Eiskristalle würden die vergleichbar fragile Struktur der Protein-(Ribosomen-) Kristalle zerstören.

3.a Montage der Kristalle im Probenhalter

Protein/Ribosom Kristalle sind im Gegensatz zu Salzkristallen, wie man sie so kennt, sehr fragil. Dies liegt zum einen daran, daß der Kristall selbst aus einem relativ großen, normalerweise zu einem gewissen Grad flexiblen Molekül aufgebaut ist. Zum anderen ist auch der Lösungsanteil bei Ribosomen-Kristallen mit 50-70% deutlich höher, d.h. die Dichte der gepackten Moleküle ist deutlich geringer.

Werden sonst Kristalle oftmals einfach auf einen Halter geklebt, so werden bei Protein-Kristallen hauptsächlich 3 Arten von Probenhaltern verwendet:

  • Kapillaren
    Feine dünnwandige Quarzglasröhrchen, in denen der Kristall mitsamt ihn umgebender Lösung gesaugt wird. (industriell gefertigt)
  • Loops
    fishloopEin Haar (z.B. Katzenschnurrbarthaare, die sie ab und zu verlieren!!) wird zu einem Kreis gebogen und an einem Metallpin festgeklebt (industriell aus Kunsttoff gefertigt; oder auch selbst gebastelt, bei besonderen Anforderungen).
    Der Metallpin mit dem Loop am Ende wird in die, den Kristall enthaltene Lösung eingetaucht und dann versucht den Kristall von unten her im Loop zu halten und aus der Lösung zu ‚fischen‘. Dies funktioniert mit Hilfe der Oberflächenspannung der Lösung innerhalb des Loops. Der Kristall ist dann umgeben von Lösung innerhalb des Loops gefangen.
    Nachtrag 2007: Mittlerweile hat sich diese Methode durchgesetzt, da es den verschiedenen Gruppen gelungen ist hinreichend dicke Kristalle zu züchten. Somit lassen sich maschinell gefertigte Loops verwenden und auch der Einsatz von Robotern zum montieren und mesen der Kristalle lässt sich dadurch erwägen (da geht dann wieder ein Stück der schönen alten Handarbeit flöten – für ein paar wenige Kristalle ist die Verwendung von Glasspateln (s.u.) aber immer noch aktuell).
  • Glasspatel
    Ein oder zwei (sehr dünne Quartz-) Glasplättchen werden an das Ende eines Glaspins geklebt. Dies geschieht alles in Handarbeit, auch das Schneiden der Glasplättchen. Um überhaupt halbwegs plane und gleichzeitig sehr dünne Glasplättchen zu bekommen, lässt man sich von einem Glasbläser eine extrem grosse, dünnwandige Kugel aufblasen – die man dann zerschlägt – vioila, tausende von Glasplättchen sind die Folge. Der Kristall wird entweder ähnlich wie mit dem Loop ‚gefischt‘, nur daß er zwischen die beiden Glasplättchen kommen muß. Bei den sogenannten Senkrechtspateln (siehe Bild) wird er vorher in eine Pipette gesaugt und dann langsam zwischen die Glasplättchen abgelassen.
fishspatu pinspatel3 t30spatelm
Senkrechtspatel, mit H50S Kristall Flachspatel mit T30S Kristall Fotos:
MPG-AGRS Archiv, Hamburg

Hört sich einfach an, aber Anfänger brauchen locker mal 30min. für einen Kristall. Später geht es dann deutlich schneller.  Vorteilhaft ist diese Methode gerade für sehr dünne Kristalle, die sich oftmals durch die Oberflächenspannung der Lösung im Loop biegen. Ein weiterer Vorteil bietet sich, wenn der Kristall durch seine schmale Seite hindurch bestrahlt/gemessen werden soll, dann sorgt das Material des Loops für starke Fehler durch Absorbtion (einen Fehler in der Messung erhält man natürlich auch durch die Glasplättchen, aber diese lassen sich zumeist vernachlässigen). Schließlich haben (nicht nur) wir in letzter Zeit festgestellt, daß die Loops bei zu starkem Stickstoff-Kühlstrom anfangen leicht zu vibrieren, was bei Glasspateln nicht der Fall ist.

3.b Montage der Probenhalter im Röntgenstrahl

frozprop

Unser Vessel mit dem eingefrorenen Probenhalter.

Ist der Kristall im Probenhalter, wird er entweder direkt am Meßplatz montiert und dabei im Stickstoffkühlstrom (ca. -180GradC) schockgefroren oder z.B. in flüßiges Propan getaucht und kann dann, nachdem das Propan (bei flüssig Stickstofftemperatur) gefroren ist, für Tage, Wochen oder sogar Jahre (was wenig Sinn macht, denn man möchte ja möglichst schnell an Daten kommen) in Behältern (Dewars) mit flüssigem Stickstoff aufbewahrt werden.

Der Probenhalter wird am Meßplatz montiert und der Kristall so orientiert, daß ihn der Röntgenstrahl, wie gewünscht, trifft (was allerdings nicht immer so einfach ist).

(Fotos und weitere Beschreibung folgen demnächst)

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