Röntgenstrukturanalyse – Datenerfassung

Datenmessung

Für die Röntgenstrukturanalyse von ribosomalen Kristallen reichen Laborstrahlenquellen wie Röntgenröhren oder Drehanoden nicht aus. Sie lassen sich allenfalls für einen ersten Qualitätscheck zum optimieren neuer Parameter in der Kristallisation verwenden.

Um Daten mit der nötigen hohen Auflösung von den Ribosomen-Kristallen zu erhalten braucht man die  intensive Rötgenstrahlung eines Synchrotrons. Währen meiner Zeit haben wir an verschiedenen Messplätzen am DORIS-Speichering (DESY) in Hamburg, CHESS in Ithaca/USA, APS in Chicago/USA, ESRF in Grenoble/Frankreich, PhotonFactory am KEK in Tsukuba/Japan und später am SLS in Viligen/Schweiz gemessen.

Ein Beispiel für die lokale Anordnung des Experiments.

Ein Beispiel für die lokale Anordnung des Experiments.

Ist der Kristall im Stickstoffkühlstrom montiert, dann müßen nur noch die richtigen Knöpfe gedrückt und die gewünschten Lichter angehen.

reslights

Es werden Testbelichtungen gemacht, anhand derer man entscheidet Daten vom Kristall zu messen. Dabei geht es zum einen um die Qualität der Diffraktionsreflexe – also möglichst wenig verschmiert – aber immer auch um die maximale Auflösung, diese nimmt nach Aussen hin zu (siehe Beispiel). Je höher die Auflösung bei vergleichbarer Datenqualität umso mehr Details können in der später berechneten Elektronendichte erkennbar werden.

Ist entschieden den Kristall zu messen, wird anhand der Orientierungsparameter von den Testaufnahmen der Bereich abgeschätzt (oder berechnet) über den der Kristall schrittweise rotieren muss um einen möglichst kopletten Datensatz mit der minimalen Zahl von Aufnahmen zu erhalten.

Belichtung und Auslesen des Detektors wird mit einem, je nach Synchrotron-Meßplatz unterschiedlichem, Programm durchgeführt.
  

5 Problem: Strahlenschädigung

Wurden die Kristalle in den Anfängen noch bei Raumtemperatur gemessen (man kannte es von den anorganischen Kristallen nicht anders), so ergaben sich nur durch die zur Orientierung nötigen Belichtungen schon derart heftige Strahlenschädigungen, daß von sinnvoller Datennahme keine Rede sein konnte.
 

5.b Kryokühlung

So wurden die Kristalle in einem Stickstoff-Kaltgas-Strom gemessen. Dieser wird erzeugt, indem ein Heizelement flüssigen Stickstoff zum Verdampfen bringt und dieses Gas, mit ca. -180GradC den Kristall erreicht und dort die Strahlenschädigungseffekte auf ein Minimum reduziert.
Damit gelang es z.B. am DORIS Speicherring (DESY, Hamburg/Ger) von einen Kristall über einen Zeitraum von mehr als 6 Tagen Daten ohne erkennbare Zerfallsmerkmale zu sammeln. Zu dieser Zeit dauerte die Sammlung eines vollständigen Datensatzes von Ribosomenkristallen ein bis mehrere Tage.

5.c Strahlenschädigung bei Kryotemperaturen

w9-1

Ausschnitt eines Diffraktionsbildes im Bereich von ca. 3.4-5A Auflösung.

w9-2

Der gleiche Bereich nach der Sammlung eines Teildatensatzes, trotz Kryokühlung

Mit Aufkommen der Synchrotrons der 3. Generation (z.B. ESRF/Fr oder APS/USA) und damit deutlich stärkerer Röntgenstrahldecayspung begannen die Ribosomenkristalle nun auch bei Stickstoffkühlung Strahlenschädigung zu zeigen (siehe Beispiel unten).
An manchen Meßplätzen ist es sogar möglich die geschädigten, also bereits bestrahlten, Stellen des Kristalles zu sehen (siehe links die schwarze Bereiche).

jotest-ribodecay_heightmap-x800
Zur Verdeutlichung 2/3 der gleichen Bilder noch einmal als Höhenmap der Intensität (rechts). Es lässt sich klar erkennen, dass die Peaks der Reflexintensitäten nach nur 40 Aufnahmen (40°Rotation) in dem Bereich der höheren Auflösung verschwunden sind.

Die Folge dieser Strahlenschädigung ist auch hier wieder die Messung mehrere Kristalle um einen möglichst vollständigen Datensatz zu erhalten.
Ein wenig wird dieser Nachteil allerdings durch die deutlich kürzeren Belichtungszeiten aufgewogen. So kann man mit etwas Glück (= genügend Kristalle von optimaler Qualität) an einem Tag sogar mehrere vollständige Datensätze sammeln.

Mit entsprechend schnellem Detektor kann man auch mit dem sogenannten ‚fine-slicing‘ arbeiten. Dabei wir der Kristall nur um 0.01° Pro Bild rotiert, das hält die Dosis pro Aufnahme gering und führt oftmals zu weniger Zerfall auch an den stärksten Messplätzen (wobei dort der Strahl dazu noch abgeschwächt werden muss). Diese Methode lässt sich allerdings nur sinnvoll mit Detektoren der neuesten Generation durchführen, da sich bei mindestens 900 Aufnahmen (für 90°) mit einer Auslesezeit von nur 10sec pro Bild schon 2,5 Std. reine Aufnahmezeit ergeben (mit dem Pilatus Detektor am SLS in der Schweiz reicht die Zeit im Prinzip gerade mal um in aller Ruhe einen Kaffee zu trinken).

Nachtrag 2012:
Weitere Methoden der Strahlenschädigung Herr zu werden werden z.B. am CFEL in Hamburg entwickelt. Dort werden Mikrokristalle per Flowjet in einen gepulsten Röngenstrahl geschossen. Jedes Mal wenn ein Röntgenpuls auf einen Kristall trifft gibt es ein Bild und der Kristall ist mehr oder weniger zerstört. Mit millionen Kristallen hat man am Ende aber millionen Diffraktionsbilder. Für diese versucht man dann die Orientierung des Kristalles heraus zu bekommen um so schliesslich die Elektronendichte des Moleküls berechnen und modellieren zu können (–> Pressemeldung). Noch funtioniert das aber meist nur wenn bereits eine ähnliche Struktur bekannt ist (siehe auch ‚das Phasenproblem‚ im nächten Abschnitt.

> weiter mit Datenverarbeitung